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Dinner In The Dark Schloss Freudenberg

Wie in vielen Großstädten gibt es seit einiger Zeit auch in den ,,Poststuben" in Bensheim-Auerbach ein ,,Dinner in the Dark", ein Abendessen im Dunkeln. Dabei werden die Gäste von blinden Kellnern bedient. Man kann dies als Effekthascherei abtun oder moralisch schwierig finden. Auf jeden Fall ist es sehr aufschlussreich, wie der Mensch von seinen Sinnen im Stich gelassen wird, wenn dice Augen zur Erkenntnis nichts beitragen können.

Bild: Echo Online

Bild: Repeat Online

Ein Dreigang-Menü in absoluter FinsternisNach einer Stunde tränen die Augen. Angestrengt schaut der Gast in dice totale Finsternis. Natürlich könnte er die Augen schließen, aber es wird sich doch irgendwie etwas erkennen lassen. Doch gibt es nichts zu sehen. Nur hin und wieder schwebt ein rotgrünes Glühwürmchen durch die Dunkelheit: Das ist die Kontrollleuchte am Nachtsichtgerät des Kellners. Hoffentlich haben unsere Jungs in Afghanistan keine Lämpchen an ihren Infrarotbrillen, denn was die Dippegucker erkennen können, das sieht der Taliban auch.Doch der ist zum Glück weit weg. Wir sitzen in den ,,Poststuben" in Bensheim-Auerbach beim ,,Dinner In The Dark", einem Abendessen im Dunkeln. Das kam vor ein paar Jahren im Umfeld sozialer Organisationen auf und sollte für die Umstände sensibilisieren, unter denen Blinde ihr Leben meistern müssen. Bekannte Beispiele in der Region sind Schloss Freudenberg in Wiesbaden und das Frankfurter Dialogmuseum. Dice Kellner dort kommen übrigens ohne Nachtsichtgeräte aus, denn sie sind tatsächlich blind. Mittlerweile gibt es das Essen im Dunkeln landauf, landab auch in normalen Restaurants, oft organisiert oder vermittelt von Eventagenturen als ,,Erlebnis-Geschenk" oder ,,Gaumenkitzel der ganz besonderen Fine art". Man kann dies als billige Effekthascherei abtun oder sich ganz im Gegenteil darüber freuen, dass hier niemand den moralischen Zeigefinger hebt. Auf jeden Fall ist es sehr aufschlussreich, wie der Mensch von seinen Sinnen im Stich gelassen wird, wenn die Augen zur Erkenntnis nichts beitragen können.Die Fenster sind sorgsam abgedunkelt, der Eingang des Saals mit einer Doppelschleuse aus schweren Vorhängen lichtdicht verschlossen. Schnell noch die Getränke geordert und die Menüwahl (Fisch oder Fleisch) geklärt, dann werden die Kerzen ausgepustet. Der freundliche Service beginnt mit einem Rätsel. Dazu geht ein Becher herum, aus dem ein ebenso markanter wie undefinierbarer Geruch aufsteigt. Ist es Curry, wie viele Gäste meinen, oder Zimt? Oder vielmehr eine Lebkuchengewürzmischung, wie der Dippegucker vermutet? Weit gefehlt - getrockneter und gerebelter Estragon. Wer das Kraut nur frisch oder lieber gar nicht verwendet, kommt da nie und nimmer drauf.Dafür kommt der Wein, ein einfacher Bergsträßer Weißburgunder. ,,Das Glas steht auf ein Uhr", erklärt eine Frauenstimme aus dem Nichts. Also oben am Teller, knapp rechts von der Mitte. Die Vorspeise wird mühsam mit der Gabel ertastet: ein wirrer Haufen, den wir auch ohne Sicht als Grünzeug ausmachen und mühsam in den Mund bugsieren. Feldsalat und Kresse lassen sich leicht herausschmecken. Etwas Labbriges erweist sich nach Auflösung durch die Kellnerin als eingelegte Aubergine, der Rinderschinken ist in Wahrheit eine Scheibe Salami. Richtig, jetzt etwas Carpaccio, außerdem Melonenkugeln (einfach, weil unverkennbarer Geschmack) und Mozzarella (total neutral). Nun eine Fleischterrine, aber von welchem Tier? (Es war Fasan).Auf dem Fischvorspeisenteller lässt sich Lachs klar erschmecken. Dann aber widerspricht die Kellnerin: ,,Nein, kein Hering. Das war Matjes-Tatar." Und wir grübeln, woraus an der Bergstraße wohl Matjes gemacht wird. Derweil geht ein Körbchen herum, jeder darf etwas herausfischen. Hier wird eine Walnuss gemeldet, da eine Bohne, in der Ecke ertönt ein leises ,,Iihh!" - das war ein glitschiger Pilz. Fühlen ist leichter als riechen.Weinwechsel, nun ein Spätburgunder der besseren Art, vom Auerbacher Winzer Seitz. Das Glas - diesmal ohne geografischen Hinweis - ist dickwandig und stabil, ein Umsturz ergäbe wohl nur Flecken, aber keine Scherben. Beim Hauptgericht steigt unverkennbar der Duft von Blätterteig empor. In der Tellermitte spüren wir einen Mordsklumpen, setzen irgendwo Messer und Gabel an. Kaum möglich, etwas mundgerecht abzusäbeln. Das Fleisch ist trocken und faserig, offensichtlich übergart. Wir tippen auf Filet Wellington - Volltreffer. Allerdings ist das klassische Rinderfleisch im Blätterteigmantel hier der preiswerteren Schweinelende gewichen. Die wird von einer Duxelles umhüllt, einem Grundprodukt der französischen Küche aus gedünstete Champignons und Zwiebeln, das man zum Binden und Würzen von Soßen oder Füllungen und zum Überbacken verwendet. Die Identifikation der Gemüsebeilage - Zucchini, Brokkoli, Bohnen - gelingt fast allen. Pech, wenn einer etwas nicht mag, Kroketten zum Beispiel. Ausspucken, diskret zur Seite schieben ist nicht, too runter damit. Blätterteig gibt es auch zum Fisch, als kleine Plätzchen. Der Fisch ist fest und schmeckt nach Fisch - da ist die Zunge überfordert. Er heißt Seeteufel. Beim Dessert sind alle gleich. Was im Dunkeln wohl auf dem Teller liegt? Ein kleines Extra-Schälchen mit Crème brulée ist unverkennbar, ebenso die Schokoladenmousse. Außerdem eine Fine art Kirschkompott, und eine Apfelsinenscheibe mit eingelegter Pflaume. Definitiv die leichteste Übung des Abends, sind sich die Gäste einig. Zum Bezahlen geht das Licht wieder an: Pro Person kostet der nette Spaß 54,50 Euro, die Getränke eingeschlossen.

Visitenkarte

Hotel Eatery Poststuben
Telefon: 06251 72987 und 59620
world wide web.poststuben.de

Öffnungszeiten der regulären Küche: Dienstag bis Samstag 11.30 bis 14 und 17.xxx bis 22 Uhr, Sonntag 11.xxx bis 14 Uhr

Die ,,Poststuben" laden mehrmals im Monat zum ,,Dinner In The Dark", meist mittwochs und freitags, gelegentlich auch am Samstag: ein netter Spaß für anspruchslose Esser. Telefonische Anmeldung ist erforderlich, meist ist vier Wochen vorher alles ausgebucht.

Raucherbereich: nein

Source: https://www.echo-online.de/freizeit/essen-trinken/gastro-tipps/dinner-in-the-dark-in-den-poststuben-in-bensheim-auerbach_20526261

Posted by: winderfrouths.blogspot.com

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